Texter, Journalist und Autor Jürgen Bräunlein

Sofarolle mit Knautschzone

Der Mops ist der Modehund der Saison. Eine Liebeserklärung

Rheinischer Merkur vom 11.9.2008

Wer den Mops liebt, und es werden ja immer mehr, kann Alfred Brehm nicht mögen. „Die Welt wird nichts verlieren“, schrieb der Zoologe reichlich ausfallend in seinem „Illustrirten Thierleben“, „wenn dies abscheuliche Tier den Weg alles Fleisches geht.“  Bar jeder Wissenschaftlichkeit schimpfte er den Mops als „dumm, faul und gefräßig“, ernannte ihn zum „Altjungfernhund“. Vermutlich hatte er dabei – und das wäre wirklich die einzige Entschuldigung – den Lieblingshund Ihrer Königlichen Hoheit Königin Victoria von England vor Augen, die 1857 ihre Umgebung mit dem Wunsch nervte, ein paar schön geratene Möpse in ihrem Palast halten zu wollen, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellte. Die einzigen Exemplare, die man auftreiben konnte und die gut genug für die Königin gewesen wären, stammten aus Wiesbaden, doch die Besitzerinnen waren trotz hoher Geldsummen nicht dazu zu bewegen, ihre Rassehunde abzugeben. Woher „Bosco“, der heiß geliebte Ersatzmops der Königin schließlich stammte, konnte nie geklärt werden – der schönste Vertreter seiner Rasse war er jedenfalls nicht.

Brehm, der hässliche Bosco der Queen, aber auch Volksdichter Wilhelm Busch, der den Mops mehrfach als Kuchen fressenden Schoßhund ältlicher Fräuleins karikierte, haben der Karriere des Hundes schweren Schaden zugefügt. Lange war der Mops weg vom Fenster, doch das ist jetzt vorbei. Dackel und Königspudel wurden ausgemustert, sie gelten nur noch als spießig. Auch die schlappohrigen Cockerspaniels und die wuscheligen West Highland White Terrier haben ihren Status als Modehund verloren. Jetzt ist der Mops dran. Ob das Schanzenviertel in Hamburg, das Belgische Viertel in Köln, der Münchner Gärtnerplatz oder in Berlin Mitte und Kreuzberg – man muss heute nicht lange dort verweilen, einem von ihnen zu begegnen. Die kleinen, kurzbeinigen Vierbeiner, die ein wenig so aussehen, als wären sie mit Karacho gegen eine Mauer gerannt, sind die „Hunde-Wiederentdeckung des neuen Jahrtausends“, wie eine Zeitung schrieb.

Kräftig angeheizt wurde der Hype von den Medien. Fernsehkomödien wie „Molly & Mops“ haben hohe Einschaltquoten, Lifestyle-Magazine und Einrichtungskataloge kommen ohne aufgemopste Hochglanzseiten gar nicht mehr aus. Zudem schaffen sich immer mehr Prominente wie Kim Fischer, Jette Joop oder Uschi Glas Möpse an und zeigen sich damit im Blitzlichtgewitter. Hunde sorgen für Gesprächsstoff und polieren das Image auf. Wer bindungsscheu ist, kann sich ja einen leihen; Anbieter, etwa eine Hotelkette, gibt es. Schon Bill Clinton soll sich seinen schokoladenbraunen Labrador Buddy nur deshalb angeschafft haben, um von der Monica-Lewinsky-Affäre abzulenken.

Selbst im fernen Indien ist der Mops en vogue. In dem aktuellen Vodafon-Werbeclip wird ein hübsches Mädchen von einem ebenso süßen Mops sicher durch den Tag gebracht. Er bringt ihr die fehlende Socke ans Bett, schleckt die Briefmarke für den Brief und rennt dem Schulbus hinterher, weil die Krawatte zur Schuluniform vergessen wurde. Doch ohne Hollywood wäre der Hund nie so weit gekommen. In „Men in Black I“ und „II“ agiert ein Mops als vielseitiger Superagent Frank. Frank kämpft gegen Außerirdische, singt „I Will Survive“ von Gloria Gaynor und wird sicherlich auch in Teil drei mitspielen. Hunde in erfolgreichen Filmen kommen zwangsläufig in Mode.

Als „Kommissar Rex“ noch Verbrecher jagte, stieg das Kaufinteresse beim Verein für Deutsche Schäferhunde um zehn Prozent. Die „101 Dalmatiner“, die weltweit über die Kinoleinwände purzelten, lösten auch in Deutschland einen Boom aus. Doch die eleganten, auffällig getupften Tiere sind weder leicht zu erziehen noch Schmusehunde. Das Ende vom Lied: Zeitversetzt erlebten auch Tierheime eine Dalmatiner-Schwemme.

Beim Mops ist die Gefahr, dass ein Käufer den Hund wegen Überforderung wieder abgibt, deutlich geringer. Der Mops verfügt über sozialen Witz, eine extravagante Schönheit und ist beeindruckend ungefährlich. Jagdinstinkte hatte er nie, oder sie wurden ihm ausgetrieben. Als Wachhund taugt er so wenig wie ein Meerschweinchen, und wenn er einmal bellt, ist es eine Überraschung. Beißen ist ihm ein Fremdwort. Dafür haben Eltern mit dem Mops ein Spielzeug mehr. Von Kindern lässt er sich nahezu alles gefallen, man kann ihm Filzstifte in die Ohren stecken, ihn am Kragenfell packen oder in den Puppenwagen setzen, der Mops nimmt’s klaglos hin.

Er ist ein treuer Begleiter, dabei nicht ausufernd in seinen Ansprüchen, und riecht so wenig nach Hund, dass man denkt, er ist eigentlich gar keiner. Ist er auch nicht, sondern „ein Wesen vom anderen Stern“ (Ralph Morgenstern), oder „ein Fabelwesen“, bei dem der Publizist Emanuel Eckardt bis heute rätselt, „wie es möglich war, eine Weißwurst mit einem andalusischen Kampfstier zu kreuzen, ohne dabei die Rassenmerkmale eines Marzipanschweins aus den Augen zu verlieren.“ Gedrungen und kompakt ist der Mops und mit seinem Handtaschenformat der ideale Kompagnon für Reisen in Bahn und Flugzeug. All das weiß der mobile Großstädter zu würdigen, der Natur- und Tierwelt durchaus liebt, aber stinkenden Kuhmist und schlammreiche Abenteuerurlaube scheußlich findet, der die gemeine Menschenmenge scheut, andererseits für einen kleinen gesellschaftlichen Auftritt immer zu haben ist. Der Mops, der gar nicht dazu fähig wäre, irgendeinem Koch ein Ei zu stehlen, weiß sich bei Vernissagen, im Restaurant oder Büro mit Bravour zu behaupten.

Der melancholische Gesichtsausdruck tut so, als laste auf den Hundeschultern alles Elend dieser Welt. Das begeistert nicht nur die Intellektuellen. Das im Idealfall doppelt gerollte, posthornähnliche Schwänzchen gibt dem Mops auch von hinten eine interessante, um nicht zu sagen bizarre Erscheinung. Dass der Mops laut schnarcht, ist kein Geheimnis, Singles hilft das dabei, die Stille in der Wohnung besser zu ertragen. Der Mops ist deshalb, wie die Autorin Katharina von der Leyen schlussfolgert, ein emotionales und ein ästhetisches Statement zugleich: „Wer einen Mops hält, beweist Stil.“ Oder glaubt es zumindest.

Die Herkunft der Rasse liegt ein wenig im Dunklen. Möglicherweise reiste der Mops mit den Handelskarawanen auf den uralten Seidenstraßen in den Vorderen Orient und von dort aus nach Europa. Vermutlich stand der Geburtshundekorb in China. Die Legende, dass der mongolische Tyrann Dschinghis Khan den Mops mit der Satteltasche aus Peking transportiert und unters Volk gebracht hat, ist aber vermutlich zu schön, um wahr zu sein. Im Zuge der Asien-Begeisterung, die im 18. Jahrhundert nach Europa schwappte, wurde der Mops vor allem in England beliebt. Er avancierte zum exotischen Schoßhund von Herrschern und Adligen und zum Lieblingstiermotiv bedeutender Maler wie William Hogarth. 1745 erschien in Amsterdam das Buch „Der verrathene Orden der Freimaurer und das offenbarte Geheimnis der Mopsgesellschaft“. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor die Rasse an Beliebtheit und erntete immer mehr Spott. Der Mops endete als gut genährte Sofarolle des Bürgertums. Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland nur noch 100 Möpse pro Jahr gezüchtet. Manche sahen die Rasse schon vom Aussterben bedroht – eine Befürchtung, die heute keiner mehr teilt. Meldete der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) 1992 noch 83 Mopswelpen, so waren es 2007 bereits 637.

Die tatsächliche Zahl hierzulande dürfte um das Zwei- bis Dreifache höher liegen, da nicht alle Mopszüchter im VDH organisiert sind und zudem immer mehr Welpen auch auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. Viele davon kommen aus Osteuropa und sind aufgrund unklarer Stammbäume fragwürdig. Steigt bei einer Hunderasse die Nachfrage, steigen auch die Fälle unkontrollierten Züchtens, was Erbkrankheiten mit sich bringt. Möpse, die unter 1000 Euro kosten, sind meist von unseriöser Herkunft. Wer sich einen Mops anschaffen möchte, sollte sich bei verschiedenen Züchtern umsehen. Auch was die ästhetische Seite betrifft – Kopfform oder Körperstatur –, gibt es Unterschiede. Dass Möpse Atemprobleme haben und dies auf die flache Schnauze zurückzuführen ist, ist ein weit verbreitetes Vorurteil, das so pauschal nicht zutrifft. Angeblich steht schon der nächste Modehund in den Startlöchern: Der Boston-Terrier („englische Bulldogge“).

Doch damit geben sich die Yuppies dieser Tage womöglich gar nicht mehr zufrieden. Aus Amerika kommt die Idee vom Designerhund, den man sich mit wüsten Rassenkreuzungen selbst zusammenbastelt. Mops und Jack- Russel-Terrier ergeben einen „Rassmo“, Mops und Beagle einen „Puggle“. Möpse werden gerne genommen, weil sie so wenig aggressiv sind, Pudel, weil sie nicht haaren, was man von Möpsen übrigens nicht behaupten kann. Doch anders als beim Rassehund, bei dem Charakter und körperliche Defekte vorhersehbar sind, gleiche das Züchten von Designerhunden dem russischen Roulette, erklärt man beim VDH. Zwar entspräche der bestellte Hund vielleicht den optischen Wünschen, aber es könnte statt des erhofften charmanten Schoßhundes auch ein aggressiver, gesundheitlich angeschlagener Kläffer dabei herauskommen.

Da ist es dann doch viel klüger, man bleibt gleich beim Mops. Dafür spricht auch die hohe Lebenserwartung. Locker kann er uns 15 Jahre begleiten – bei liebevoller Haltung natürlich. Loriot, Mopsbesitzer auch er, weiß: „Möpse können, wie Menschen, im Alter etwas nachlassen, jedoch im Ausdruck gewinnen.“

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